Zahlungsmoral in Deutschland verschlechtert sich weiter
Die schwache Konjunktur, die anhaltend hohe Inflation und die restriktive Geldpolitik setzen viele Unternehmen in Deutschland massiv unter Druck. Die Folge: Die Zahlungsmoral im B2B-Geschäft verschlechtert sich weiter. Das geht aus dem aktuellen Zahlungsbarometer des internationalen Kreditversicherers Atradius hervor. So stieg der Anteil der verspätet bezahlten Rechnungen bei den Befragungsteilnehmern im vergangenen Jahr von 51 auf 57 Prozent. „Die derzeitigen Herausforderungen zwingen Unternehmen, ihre Liquidität deutlich mehr zu schützen. Dies hat direkte Auswirkungen auf das Zahlungsverhalten und verschärft die finanzielle Unsicherheit“, sagt Frank Liebold, Country Director Deutschland von Atradius.
Von acht auf zehn Prozent zugenommen hat im vergangenen Jahr der Anteil der uneinbringlichen Forderungen im B2B-Bereich; diese mussten die Befragungsteilnehmer letztlich als Verlust abschreiben. Ein weiterer Indikator für die Schieflage der deutschen Wirtschaft ist auch der erhöhte DSO-Wert (Days Sales Outstanding, durchschnittliche Forderungslaufzeit in Tagen). Besonders gestiegen ist dieser Indikator in der Baubranche, wo rund jedes zweite Unternehmen (47 Prozent) einen höheren DSO-Wert als im Vorjahr meldete. Die durchschnittliche Forderungslaufzeit in der deutschen Baubranche stieg laut Atradius-Befragung auf 87 Tage ab Rechnungsstellung . In der Automobilindustrie, wo 39 Prozent der Unternehmen in den letzten zwölf Monaten eine Verschlechterung der Außenstände verzeichneten, betrug die durchschnittliche Forderungslaufzeit 68 Tage. Eine weitverbreitete Verschlechterung der DSO ist auch im Sektor der langlebigen Gebrauchsgüter zu beobachten, wo die Forderungslaufzeit derzeit bei einem Durchschnitt von 45 Tagen liegt.
Insgesamt warten 50 Prozent der 215 im Auftrag von Atradius befragten Unternehmen länger auf die Bezahlung ihrer Rechnungen. „Die Folge für die betroffenen Unternehmen sind unmittelbare Cashflow-Probleme, Schwierigkeiten bei der Erfüllung finanzieller Verpflichtungen und Investitionsverzögerungen“, erklärt Frank Liebold. Dazu kämen noch steigende Kreditkosten und die Abhängigkeit von kurzfristigen Finanzierungen sowie die Verlangsamung der Zahlungen der Unternehmen an ihre eigenen Lieferanten.
Aufgrund der langen Wartezeiten auf Zahlungen müssen die Unternehmen mehr für den Liquiditätserhalt zur Sicherung des laufenden Betriebs sorgen. So gaben 57 Prozent der Unternehmen im Bausektor an, in den vergangenen zwölf Monaten Handelskredite – also Kredite, den Lieferanten ihren Kunden einräumen, um ihre Verbindlichkeiten zu begleichen – als Hauptfinanzierungsquelle in Anspruch genommen zu haben. Die meisten Unternehmen aus der Gebrauchsgüterbranche geben Bankkredite als Hauptfinanzierungsmöglichkeit an, während etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen aus der Automobilbranche Bankkredite bevorzugen und 45 Prozent Handelskredite in Anspruch nehmen. Insgesamt waren in den vergangenen zwölf Monaten für 62 Prozent der befragten Unternehmen Bankdarlehen die wichtigste Finanzierungsquelle.
Bei der Analyse der Umfrage-Ergebnisse wird deutlich, dass eine Verbesserung der Zahlungsmoral nicht in Sicht ist. Die befragten Unternehmen zeigen sich kurz-, mittel- und langfristig besorgt aufgrund des schwachen Wachstums der Binnenkonjunktur, des niedrigen Verbrauchervertrauens sowie der fehlenden Dynamik auf dem Arbeitsmarkt. „36 Prozent der Unternehmen aller Branchen erwarten eine Verschlechterung, während die übrigen befragten Unternehmen entweder eine Verbesserung oder keine Änderung des Zahlungsverhaltens erwarten“, sagt Frank Liebold. Die meisten Unternehmen aller Branchen in Deutschland gingen davon aus, dass sie in den kommenden Monaten Schwierigkeiten haben werden, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, was auch die Notwendigkeit einschließe, die Zahlungen an ihre eigenen Lieferanten zu verlangsamen, um das Risiko von Liquiditätsengpässen zu verringern.
Vor diesem Hintergrund steigt laut der Umfrage auch die Furcht vor einer steigenden Zahl von Unternehmenspleiten: Etwas mehr als 70 Prozent der befragten Unternehmen rechnen mit einem erhöhten Insolvenzrisiko im B2B-Handel. „Dies zeigt eine tiefe Besorgnis über die zukünftige wirtschaftliche Stabilität und mögliche Cashflow-Probleme", erläutert Frank Liebold. Besonders deutlich wird diese negative Einschätzung im Bausektor und in der deutschen Automobilindustrie, wo 41 Prozent der Unternehmen ebenfalls mit einer Verschlechterung der Zahlungsmoral von B2B-Kunden in den nächsten zwölf Monaten rechnen.
Die unterschiedlichen Erwartungen der deutschen Unternehmen in Bezug auf die Effizienz des Forderungseinzugs und das Cashflow-Management im kommenden Jahr werden in der Atradius-Umfrage deutlich. Insgesamt rechnen 39 Prozent der befragten deutschen Unternehmen mit einer Verschlechterung, während die übrigen entweder optimistischer oder unsicherer sind.
46 Prozent der Unternehmen des Baugewerbes rechnen mit einer Verschlechterung der Außenstandsdauer der Forderungen in den nächsten zwölf Monaten. Dies deutet auf eine größere Besorgnis über das Risiko finanzieller Instabilität hin, insbesondere bei Unternehmen, die zur Aufrechterhaltung ihrer Geschäftstätigkeit auf prompte Zahlungen angewiesen sind. Im Gegensatz dazu erwarten 45 Prozent der Unternehmen in der deutschen Gebrauchsgüterindustrie keine Veränderung der DSO, was auf eine Stabilität beim Zahlungseinzug schließen lässt. In der Automobilindustrie gibt es keine eindeutige Meinung, ein Drittel der Unternehmen ist optimistisch, was die DSO angeht, der Rest ist entweder unsicher oder pessimistisch. „Die Ergebnisse unserer Befragung unterstreichen die Notwendigkeit für Unternehmen, effektive Forderungsmanagement- und Finanzierungsstrategien zu entwickeln, um die Herausforderungen der kommenden Monate zu bewältigen“, sagt Atradius Deutschland-Chef Frank Liebold.
Das Atradius Zahlungsmoralbarometer Deutschland ist Teil der aktuellen Zahlungsmoralbarometer-Studie Westeuropa des internationalen Kreditversicherers Atradius. Für die Studie wurden Unternehmen in insgesamt 14 Märkten zum Zahlungsverhalten im Firmengeschäft befragt: Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Schweden, Schweiz, Spanien, dem Vereinigtes Königreich und zum ersten Mal auch Finnland. In Deutschland wurden insgesamt 215 Unternehmen befragt aus den Bereichen Bau, langlebige Gebrauchsgüter und Automotive. Die Größe der befragten Unternehmen reichte von kleinen Unternehmen bis hin zu großen Konzernen. Die vollständigen Umfrageergebnisse finden Sie nachstehend.
Deckung von Kriegsrisiken für den Landgütertransport in der Ukraine
Der internationale Versicherungsmakler WTW und die ukrainische Versicherungsgesellschaft VUSO haben angekündigt, eine Kriegsrisikoversicherung für den Landtransport von Gütern innerhalb der Ukraine einzuführen.
Die Versicherung kann von ukrainischen und ausländischen Unternehmen genutzt werden und soll helfen, wichtige Handels- und Transportvorgänge innerhalb der Ukraine zu erleichtern.
Weiterführende Information: Mitteilung von Ukraine Business News vom 15.05.2024
Zahlreiche deutsche Unternehmen spüren deutlichen Rückgang der Auftragseingänge
Atradius-Umfrage: Fast die Hälfte der Firmen berichtet von Auftragsrückgängen, getrieben von Konjunkturflaute, Inflation, hohen Energie-kosten und geopolitische Risiken
Fast die Hälfte der deutschen Unternehmen leidet derzeit unter einem Rückgang der Auftragseingänge. Das ergab eine aktuelle Umfrage des internationalen Kreditversicherers Atradius. „Konjunkturflaute, Inflation, geopolitische Risiken und hohe Energiekosten sind eine toxische Mischung für die heimische Wirtschaft“, sagt Thomas Langen, Senior Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa von Atradius. Befragt wurden mehr als 500 Unternehmen aus 15 Branchen.
48 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, Auftragsrückgänge zu spüren. „Besonders betroffen sind die Branchen Automotive und Maschinenbau, die als Rückgrat der deutschen Industrie gelten“, sagt Thomas Langen. 31 Prozent gaben an, teilweise weniger Aufträge zu erhalten und lediglich 21 Prozent sind nicht von Auftragsrückgängen betroffen.
Bei der Höhe der Auftragsrückgänge zeigt sich, dass rund ein Drittel der Teilnehmer zwischen acht und zehn Prozent weniger Aufträge verzeichnet. Bei einem weiteren Drittel liegt der Rückgang oberhalb von zehn Prozent. 24 Prozent berichten von einem Auftragsrückgang um mehr als 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr und elf Prozent von mehr als 30 Prozent über dem Niveau von 2023. Vier Prozent der befragten Unternehmen berichten sogar von einem Rückgang der Aufträge um mehr als 40 Prozent. „Diese Ergebnisse sind alarmierend“, so Thomas Langen und ergänzt: „Unsere Umfrage verdeutlicht den Druck, dem viele Unternehmen derzeit ausgesetzt sind. Die wirtschaftlichen Unsicherheiten zwingen viele dazu, Maßnahmen zu ergreifen, um Wettbewerbsfähigkeit und finanzielle Stabilität zu erhalten.“
Rund 40 Prozent setzen daher auf Effizienzverbesserungen oder verschieben beziehungsweise stoppen ganz Investitionen. Weitere Maßnahmen sind die Entwicklung neuer Produkte oder Dienstleistungen, aber auch Stellenabbau oder Kurzarbeit. Trotzdem haben manche Unternehmen Cash-Flow-Probleme. Thomas Langen: „Sollte sich die globale Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte nicht erholen, könnte dies zu noch gravierenderen Konsequenzen für die deutsche Exportwirtschaft führen. Der Wirtschaftsstandort Deutschland steht vor einer herausfordernden Zeit.“
Für die im Mai dieses Jahres durchgeführte Umfrage wurden Unternehmen unter anderem aus den Branchen Automotive, Bau und Baumaterial, Chemie, Dienstleistungen, Elektronik, Finanzen, IT/Software, Konsumgüter, Landwirtschaft, Lebensmittel, Maschinenbau, Metall, Papier, Textil sowie Transport befragt. Der Umsatz der Unternehmen liegt zwischen weniger als fünf Millionen und mehr als einer Milliarde Euro. Die Zahl der Beschäftigten liegt bei den befragten Unternehmen zwischen unter 100 und mehr als 1.500.
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